Simone Lück-Hildebrandt: Grund zum Feiern?
In diesem Jahr jährte sich der 1963 geschlossene Elysée-Vertrag zwischen Frankreich und Deutschland zum 55. Mal. Ein deutsch-französischer Freundschaftsvertrag N°2 – eine Erweiterung des bisherigen Vertrages, die sich vor allem auf die deutsch-französischen Programme zur Verteidigung bezieht – soll die wichtige Achse Berlin – Paris beleben. Die Bilanz des von Präsident Macron angestoßenen Reformpakets sieht auf europäischer Ebene eher mager aus, hat sich doch gerade die deutsche Seite sehr bedeckt gehalten: eine stärkere finanzpolitische und vor allem soziale Vereinheitlichung ist bisher nur in abgeschwächter Form vorangekommen.
Erfreulich sind dagegen die nach wie vor hohen Austauschquoten zwischen deutschen und französischen Schüler*innen und Student*innen. Städtepartner-schaften, deutsch-französisch kombinierte Studiengänge, trilaterale Kooperationen auf dem Gebiet der Kultur oder des Sports sind nicht nur selbstverständlich, sondern es kommen auch neue hinzu. Vermehrt werden z. B. auch junge Erwachsene, die gerade nicht das Gymnasium besuchen und auch ansonsten finanziell nicht gut gestellt sind, vom Deutsch-Französischen Jugendwerk und – in Berlin auch vom Centre Français im Bezirk Wedding – in diese Austauschvorhaben einbezogen. Ob HipHop, Kochen oder Backen, Street-Art, Fußball - alles kann in deutsch-französischer Partnerschaft (vielleicht sogar erweitert durch ein drittes Land) die Grundlage für ein Kennenlernen des Anderen und der erste Schritt zur Erlernung der Sprache des jeweiligen Anderen werden. So haben deutsch-französische Berufsbildungsprojekte natürlich nicht das Ziel, in perfekter Sprache über Sartre oder Goethe zu diskutieren. Der Wunsch nach Perfektion in sprachlicher Hinsicht (dem leider noch zu oft einige Fremdsprachenlehrkräfte verfallen) hemmen solche Vorhaben eher. Hier geht es vielmehr darum, sich auf ganz praktischer Ebene auszutauschen und sprachlich für einen berufspraktischen Aufenthalt im Nachbarland fit zu werden.
Genau die aufgezeigten Aktivitäten sowie die Institutionen und Initiativen, die dies überhaupt erst ermöglichen, sollten in erster Linie benannt und auch gefeiert werden. Bezüglich der jeweiligen staatlichen Unterstützung sollte nicht danach „geschielt“ werden, wie man es auch kostengünstiger haben könnte. Die Ankündigung einer Integration der beiden Kulturinstitute – Goethe-Institut und Institut Français – kann positive Impulse auslösen, aber auch die Reduzierung von Stellen beinhalten. Vor allem müsste bei Schulreformen in beiden Ländern darauf geachtet werden, dass das Erlernen der zweiten Fremdsprache in der zum Abitur führenden Oberstufe wieder verbindlich eingeführt wird, ansonsten erreichen wir statt Mehrsprachigkeit eine Verarmung der Fremdsprachenvielfalt. Wir können nicht die deutsch-französische Freundschaft feiern und gleichzeitig die Möglichkeiten zur ernsthaften Erlernung der Sprache des Nachbarn beschneiden. Also feiern wir!!! – aber mit ganz konkreten zukunftsträchtigen Maßnahmen und nicht mit Lippenbekenntnissen, die der so notwendigen deutsch-französischen Freundschaft gar nicht dienlich sind.